24. Oktober 2022

EcoAustria

EcoAustria Kurzanalyse: Längerfristige Zinswende engt den budgetären Spielraum öffentlicher Finanzen künftig merklich ein

Der Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine Anfang des Jahres hat eine drastische Anhebung des Zinsniveaus durch die Zentralbanken nach sich gezogen. Einerseits soll so der Inflationsentwicklung entgegengewirkt werden, andererseits verschlechtern sich dadurch die Finanzierungsbedingungen für die öffentliche Hand. Zudem ist davon auszugehen, dass künftig auch erhöhte budgetäre Lasten im Zusammenhang mit der Alterung der Gesellschaft einhergehen. Im Vergleich zu 2019 sind laut dem Wirtschaftsforschungsinstitut EcoAustria bis zum Jahr 2035 höhere Ausgaben für Pensionen, Pflege und Gesundheit in Höhe von knapp 3 Prozent des BIP zu erwarten. Bis zum Jahr 2060 sind es sogar mehr als 4 Prozent.

Während der langfristige Zinssatz im Jahr 1995 noch etwas über 7 Prozent betrug, war er in den Jahren 2020 und 2021 bereits leicht negativ. Im gleichen Zeitraum sind auch die Nettoausgaben des Staates für Zinsen gemessen an der Wirtschaftsleistung deutlich zurückgegangen. Hier wurden im Jahr 1995 netto für Zinsen noch 4 Prozent des BIP ausgegeben, und 2021 nur noch etwas über 1 Prozent der Wirtschaftsleistung. Der Schuldenstand lag 2021 mit rund 83 Prozent des BIP deutlich höher als noch 1995 mit unter 70 Prozent.  Prognosen zufolge legt die Sekundärmarktrendite heuer bereits wieder auf 1,7 Prozent zu und soll nächstes Jahr auf 4,1 Prozent heranwachsen. Damit würde das Niveau wieder mit jenem vor der Finanz- und Wirtschaftskrise vergleichbar sein. Mit einem Wachstum von -0,1 Prozent im Schnitt 2021 auf rund 2 Prozent im September 2022, haben die Emissionsrenditen von österreichischen Staatsanleihen im Laufe des Jahres bereits deutlich angezogen. Laut BMF sollen die gesamtstaatlichen Zinsausgaben bis 2026 wiederum auf 1,5 Prozent der Wirtschaftsleistung zulegen.

Zinsen
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Eine Analyse mit dem Schulden-Check des Wirtschaftsforschungsinstituts EcoAustria hat gezeigt, dass die Differenz der Verschuldungsquote im Jahr 2060 zwischen einem Niedrig- und einem Hochzinsszenario rund 80 Prozentpunkte beträgt. Dabei wird beim Niedrigzinsszenario von einer Fortschreibung des effektiven Zinssatzes von 1 Prozent ausgegangen, beim Hochzinsszenario von einem schrittweisen Anstieg der Verzinsung ab dem Jahr 2030 auf 4,5 Prozent bis zum Jahr 2040. Nachdem der Zinsanstieg nun bereits knapp 10 Jahre früher erfolgt, könnten die Auswirkungen auf die öffentlichen Finanzen noch um einiges kräftiger ausfallen. Dies schränkt den budgetären Spielraum signifikant ein, da ein deutlich größerer Teil des öffentlichen Budgets für den Zinsendienst aufgewendet werden muss.

Inwieweit der derzeitige Zinsanstieg eine längerfristige Wende hin zu einem Zinsniveau vor der Finanz- und Wirtschaftskrise oder nur einen vorübergehenden Anstieg darstellt, ist schwer vorherzusagen. Die Krisen in den letzten Jahren haben jedenfalls gezeigt, dass Fiskalpolitik ein grundlegendes Instrument zur Abfederung der Auswirkungen darstellt. Was es daher braucht, ist eine solide Finanzpolitik ohne Befürchtungen vor einem Vertrauensverlust auf den Finanzmärkten, erklärt Ludwig Strohner, Leiter des Forschungsbereichs Öffentliche Finanzen bei EcoAustria: „Vor dem Hintergrund der zukünftigen budgetären Herausforderungen – Anstieg der Sozialausgaben im Rahmen der Alterung, Erreichung der Klimaneutralität und Spielraum für die Abfederung potenzieller Krisen – ist es wichtig den Stabilitäts- und Wachstumspakt ernst zu nehmen und Prioritäten bei den budgetären Ausgaben zu setzen. Um die Effektivität und Effizienz öffentlicher Ausgaben zu steigern, kann der verstärkte Einsatz von Spending Reviews wichtige Erkenntnisse liefern.”

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