30. September 2022
EcoAustria
EcoAustria betont Verhandlungsbedarf bei der handelsrechtlichen Ausgestaltung des CO2-Grenzausgleichs
In einer aktuellen Kurzanalyse hat sich das Wirtschaftsforschungsinstitut EcoAustria mit der handelsrechtlichen Ausgestaltung bei der Einführung des CO2-Grenzausgleichs (CBAM) in der EU befasst. Der CBAM soll dazu dienen, der Abwanderung von Unternehmen aus CO2-intensiven Industrien vorzubeugen und somit eine reine Verlagerung der entstehenden Emissionen in andere Erdteile zu vermeiden. Außerdem soll er den Wettbewerbsnachteil ausgleichen, der Unternehmen bei der Produktion innerhalb der EU durch die Bepreisung von CO2 durch das EU-ETS (EU Emissions Trading System) entsteht und somit Standortneutralität gegenüber Drittländern bei der CO2-Bepreisung herstellen. Mit der reinen Importbepreisung, wie im CBAM-Vorschlag vorgesehen, lässt sich allerdings keine Standortneutralität herstellen. Aus diesem Grund sprach sich das Institut bereits in einer vergangenen Policy Note für eine Vervollständigung des CO2-Grenzausgleichsmechanismus mittels Exportbefreiungen aus.
Für den Import von Gütern, auf deren CO2-Ausstoß in der Produktion im Ursprungsland bisher kein CO2-Preis anfiel, müssen dann in Zukunft CBAM-Zertifikate erworben werden, deren Preis sich an den Zertifikaten des EU-ETS orientiert. Eine Exportbefreiung sieht vor, dass die bei inländischer Produktion von Gütern angefallene CO2-Abgabe beim Export zurückgezahlt wird. Um eine reibungslose Implementierung des CBAM zu gewährleisten, muss insbesondere im Zusammenhang mit Exportbefreiungen darauf geachtet werden, dass die Ausgestaltung nicht handelsrechtlich angreifbar ist, erklärt Virág Bittó, Ökonomin bei EcoAustria: „Gerade in einer Zeit unsicherer Lieferketten, in der zudem auch das Streitschlichtungsorgan der WTO außer Kraft ist, kommt es darauf an, dass der CBAM kein Nährboden für weitere Handelskonflikte wird.”
Laut Ralph Janik, Lektor für internationales Recht an der Sigmund Freud Privatuniversität in Wien, können EU-Handelspartner mehrere rechtliche Argumente vorbringen, um gegen den CO2-Grenzausgleich vorzugehen: „Ob eine handelsrechtlich einwandfreie Ausgestaltung des CBAM möglich ist, lässt sich nicht sagen. Die EU könnte eine Verletzung allenfalls als erlaubte Ausnahme im Rahmen von Artikel XX des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen rechtfertigen”. Noch gibt es keinen WTO-Präzedenzfall zu Maßnahmen, die für den Klimaschutz ergriffen werden. Als Ausgleich für die Einführung von CBAM könnte die EU ärmere Länder gezielt bei Maßnahmen zum Klimaschutz, höheren Umweltstandards oder ökologischeren Produktionsmethoden unterstützen.
Aktuell befindet sich der Gesetzesentwurf zum Grenzausgleichsmechanismus im Trilogverfahren zwischen Europäischer Kommission, Europäischem Parlament und Europäischem Rat. Während der Einführungs- beziehungsweise Übergangsphase des CBAM wird keine hundertprozentige WTO-Konformität erreicht werden. Stattdessen sollte die EU sich in laufenden Verhandlungen mit den Handelspartnern austauschen, um Anpassungen im Falle möglicher Diskriminierungen vorzunehmen und handelspolitischen Vergeltungsmaßnahmen vorzubeugen.
Weiters benötigt es laut EcoAustria mehr Anreize für Unternehmen, um den CO2-Ausstoß ihrer Güter selbst zu quantifizieren. Dadurch soll ein stärkerer Fokus auf die Verringerung des eigenen CO2-Ausstoßes gerichtet werden. Da dies gerade für Entwicklungsländer und Least-Developed-Countries (LDCs) mit hohen Kosten verbunden sein kann, schlägt EcoAustria zudem differenzierte Unterstützungsmaßnahmen seitens der EU vor. Ein Beispiel für eine solche Maßnahme liegt etwa in der technischen Unterstützung der Länder. Diese könnte zum Ausbau der Infrastruktur für die Messung von Emissionen, zur Übernahme der Umweltstandards oder zur langfristigen Implementierung weniger emittierender Technologien dienen.
Die gesamte Analyse findet sich hier: https://ecoaustria.ac.at/wp-content/uploads/2022/09/300922-EcoAustria_Kurzanalyse_CBAM_WTO_final.pdf
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